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Leitlinie 7

Phasenübergreifende Qualitätssicherung

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler führen jeden Teilschritt im Forschungsprozess lege artis durch. Wenn wissenschaftliche Erkenntnisse öffentlich zugänglich gemacht werden (im engeren Sinne in Form von Publikationen, aber auch im weiteren Sinne über andere Kommunikationswege), werden stets die angewandten Mechanismen der Qualitätssicherung dargelegt. Dies gilt insbesondere, wenn neue Methoden entwickelt werden.

Erläuterungen:

Kontinuierliche, forschungsbegleitende Qualitätssicherung bezieht sich insbesondere auf die Einhaltung fachspezifischer Standards und etablierter Methoden, auf Prozesse wie das Kalibrieren von Geräten, die Erhebung, Prozessierung und Analyse von Forschungsdaten, die Auswahl und Nutzung von Forschungssoftware, deren Entwicklung und Programmierung sowie auf das Führen von Laborbüchern.

Wenn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Erkenntnisse öffentlich zugänglich gemacht haben und ihnen dazu im Nachgang Unstimmigkeiten oder Fehler auffallen, berichtigen sie diese. Bilden die Unstimmigkeiten oder Fehler Anlass für die Zurücknahme einer Publikation, wirken die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei dem entsprechenden Verlag oder dem Infrastrukturanbieter etc. schnellstmöglich darauf hin, dass die Korrektur beziehungsweise die Zurücknahme erfolgt und entsprechend kenntlich gemacht wird. Gleiches gilt, sofern die Wissenschaftlerinnen oder Wissenschaftler von Dritten auf solche Unstimmigkeiten oder Fehler hingewiesen werden.

Die Herkunft von im Forschungsprozess verwendeten Daten, Organismen, Materialien und Software wird kenntlich gemacht und die Nachnutzung belegt; die Originalquellen werden zitiert. Art und Umfang von im Forschungsprozess entstehenden Forschungsdaten werden beschrieben. Der Umgang mit ihnen wird, entsprechend den Vorgaben im betroffenen Fach, ausgestaltet. Der Quellcode von öffentlich zugänglicher Software muss persistent, zitierbar und dokumentiert sein. Dass Ergebnisse beziehungsweise Erkenntnisse durch andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler repliziert beziehungsweise bestätigt werden können (beispielsweise mittels einer ausführlichen Beschreibung von Materialien und Methoden), ist – abhängig von dem betroffenen Fachgebiet – essenzieller Bestandteil der Qualitätssicherung.

Qualitätssicherung in der experimentellen Chemie

Zur Qualitätssicherung von Forschungsprojekten gehören in der experimentellen Chemie sowohl die Dokumentation der Verfahren und Ergebnisse als auch die Sicherung der erhaltenen Materialien, sofern dies möglich und sinnvoll ist.

Zur Dokumentation der Verfahren, Prozesse und Beobachtungen sollen, wann immer möglich, digitale Werkzeuge und Methoden verwendet werden. Hierzu gehört die Nutzung von fachspezifischer Software wie z. B. die Verwendung von elektronischen Laborjournalen zur digitalen Erfassung der Arbeitsprozesse und Daten. Insbesondere müssen die erhaltenen Ergebnisse zweifelsfrei belegt werden. Hierzu werden vor allen Dingen spektroskopische, spektrometrische und ggf. chromatografische Methoden verwendet. Die Wahl der notwendigen Methoden für eine zweifelsfreie Identifizierung von Substanzen variiert je nach Substanzklasse und Substanz-eigenen Anforderungen, typischerweise sollten aber nachfolgend beschriebene Charakterisierungsmethoden verwendet werden, um neue Substanzen zu belegen. Exemplarisch wird das Vorgehen im Bereich der Organischen Chemie, der Anorganischen Chemie und der Polymerchemie dargestellt.

Organische Chemie (Molekülnachweis und -charakterisierung):

1H-NMR- und 13C-NMR-Spektroskopie, MS-Massenspektrometrie (inklusive Hochauflösung), Infrarot-Spektroskopie, ggf. Schmelzpunkt oder Siedepunkt, Elementaranalyse, Drehwert für optisch aktive Substanzen. Zur Strukturaufklärung und bei Unsicherheiten bezüglich der Signalzuordnung ist ein Nachweis über 2D-NMR-Experimente wie 1H,13C-Korrelations-NMR-Spektroskopie (z. B. HSQC, HMBC) mit möglichst vollständiger Signalzuordnung zu erbringen. Abhängig von Molekülklasse und Anwesenheit von Heteroatomen können weitere analytische Methoden wie Heteroatom-NMR (z. B. 19F, 31P, 11B)-Spektroskopie und UV/VIS-Spektroskopie notwendig sein. Wenn es möglich ist, Kristalle der erhaltenen Verbindungen zu erhalten, sollen Röntgenstrukturanalysen durchgeführt werden.

Anorganische Chemie (Molekülnachweis und -charakterisierung):

Wenn diamagnetisch: 1H-NMR- und 13C-NMR-Spektroskopie, MS-Massenspektrometrie (inklusive Hochauflösung), IR-Spektroskopie, ggf. Schmelzpunkt, Elementaranalyse und Drehwert für optisch aktive Substanzen. Zur Strukturaufklärung und bei Unsicherheiten bezüglich der Signalzuordnung ist ein Nachweis über 2D-Experimente wie z. B. 1H,13C-Korrelations-NMR-Spektroskopie (z. B. HSQC, HMBC) mit möglichst vollständiger Signalzuordnung zu erbringen. Abhängig von Molekülklasse und Anwesenheit von Heteroatomen können weitere analytische Methoden wie Heteroatom-NMR (z. B. 19F, 31P, 11B)-Spektroskopie und UV/VIS-Spektroskopie notwendig sein. Wenn es möglich ist, Kristalle der erhaltenen Verbindungen zu erhalten, sollen Röntgenstrukturanalysen durchgeführt werden.

Wenn paramagnetisch: Einkristallstrukturanalyse, UV/VIS-Spektrum, EPR-Spektrum, ggf. paramagnetische NMR-Spektroskopie oder Charakterisierung per SQUID, MS, IR-Spektren.

Polymerchemie (Materialnachweis und -charakterisierung):

1H-NMR- und 13C-NMR-Spektroskopie, IR-Spektroskopie. Zur grundlegenden Strukturaufklärung und bei Unsicherheiten bezüglich der postulierten Molekülstruktur ist ein Nachweis über zusätzliche geeignete 2D-NMR-Experimente zu erbringen. Abhängig von Molekülklasse und Anwesenheit von Heteroatomen können weitere analytische Methoden wie Heteroatom-NMR (z. B. 19F, 31P)-Spektroskopie und UV-VIS-Spektroskopie notwendig sein. Zur Bestimmung des mittleren Molekulargewichts sind Gelpermeationschromatografie (GPC, mit unterschiedlichen Detektoren wie z. B. RI oder UV) und MALDI-ToF- oder ESI-Massenspektrometrie (abhängig vom mittleren Molekulargewicht) durchzuführen. Für absolute Molekulargewichte sollten Methoden der Lichtstreuung eingesetzt werden. Thermische Eigenschaften von Polymeren wie z. B. Schmelz- oder Glasübergangspunkte werden durch Dynamische Differenzkalorimetrie (DSC) bestimmt. Die thermische Stabilität wird mittels der Thermogravimetrischen Analyse (TGA) untersucht. Sofern bei teilkristallinen Polymeren von Bedeutung, sollen Röntgenstrukturanalysen durchgeführt werden.

Zur nachhaltigen Qualitätssicherung sollen im Forschungsprozess anfallende Daten idealerweise in offenen, mit frei verfügbarer Software lesbaren Datenformaten gespeichert werden. Erfasste Messdaten sollen mindestens im Originalformat der Mess-Software abgelegt werden. Falls es sich um ein proprietäres Datenformat handelt, sollen die Daten zusätzlich in einem offenen Daten(austausch)-Format abgelegt werden, das mit frei verfügbarer Software gelesen werden kann.

Zur Sicherung von erhaltenen Materialien, z. B. der im Forschungsprozess untersuchten oder erhaltenen Substanzen können entsprechende Archive genutzt werden.

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LL7 (Naturwissenschaften)

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